Spielen und lernen mit Bausteinen
Mit Bausteinen zu spielen bietet Kindern eine Vielzahl von Entwicklungsmöglichkeiten. Schon Friedrich Fröbel erkannte den Wert von Bausteinen für kleine Kinder. Zwei erfahrene Pädagoginnen sprechen hier über ihre Erfahrungen mit Unit Blocks, auch Einheitsbausteine genannt, die Kindern in Kitas erlauben, spielend alle Bildungsbereiche zu bearbeiten.
Zu den behandelten Themen gehören die Gestaltung des Bauraums, die Rolle der pädagogischen Fachkraft und die Frage nach Einfühlungsvermögen mit den Kindern. Außerdem: Auch das Aufräumen kann zum Teil des Spiels werden!
Barbara Kühnel: Bausteine bieten die Chance für die Kinder, dass sie in allen Bildungsbereichen arbeiten können und diese Bereiche auch bearbeiten können.
Susanne Gebert: Wenn Pädagogen Kinder beobachten beim Bausteinspiel – gerade mit den Unit Blocks – dann werden sie sehr schnell feststellen, dass es mehr ist als Klötzchen stapeln.
Barbara Kühnel: Friedrich Fröbel ist ja der Pädagoge, der den Kindergarten entwickelt hat, erfunden hat, und der den frühen Wert erkannt hat, Kinder auch mit Bausteinen in Bildungsbereiche reinzubringen und sie in ihrer Entwicklung zu unterstützen.
Susanne Gebert: Friedrich Fröbel hat ja nicht nur den Kindergarten gegründet, sondern er hat ja tatsächlich den ersten Kindergarten mit einem pädagogischen Konzept gegründet. Also keine Bewahranstalt, keine Betreuungsanstalt, sondern tatsächlich die Überlegung: „Was wollen wir denn mit den Kindern machen? Die sollen lernen. Wir wollen sie fördern.“ Da soll irgendwie auch eine Entwicklung stattfinden in diesem Kindergarten.
Selbsttätig lernen mit Bausteinen
Susanne Gebert: Friedrich Fröbel hat einen ganz fortschrittlichen Ansatz damals schon gehabt. Nämlich, dass Kinder selbsttätige Lerner sind und dass man ihnen das Feld eröffnet, dass sie, wenn sie ihren eigenen Interessen und Forscherfragen nachgehen können, das tatsächlich auch bleibt. Inzwischen wissen wir über die Hirnforschung, wie Kinder lernen und dass genau das das ist, was Friedrich Fröbel damals schon in seinen Kindergärten wusste und angeregt hat, nämlich dass immer, wenn Kinder selber tun, wenn es an ihren Interessen anknüpft, wenn es an etwas anknüpft, was sie schon kennen, wenn es in Bezug mit anderen Kindern oder Erwachsenen geschieht, tatsächlich auch im Gehirn verhaftet bleibt.
Barbara Kühnel: Wir gehen ja davon aus, dass die Kinder selbsttätig lernen und die pädagogische Fachwelt, also die Erzieher und Erzieherinnen, müssen ihnen die Chance geben, das auch tun zu dürfen und wenn sie die Möglichkeit haben, mit den Bausteinen in Ruhe und ungestört spielen zu können, dann können sie in jeder Sequenz lernen.
Durch Spielen lernen
Wir wollen ja in unserer Gesellschaft, dass die Kinder immerzu lernen, man könnte auch sagen, wir machen‘s mal einfacher. Die Kinder dürfen erstmal spielen und, wie Friedrich Fröbel gesagt hat, durch Spielen lernen Kinder. Ich glaube, das ist das besonders Wichtige daran und damit haben sie auch ein Stück Freiraum von der Konsumwelt zum Beispiel, die können wir ihnen nicht wegnehmen. Die bleibt. Die wird sich noch weiter aufbauen. Aber erstmal haben Sie ein Stück Freiraum, in Ruhe etwas auszuprobieren, selbst Erfahrungen zu machen und dabei Lernprozesse erfahren zu können. Dass Bauen für Kinder wichtig ist, ist etwas, was sich durchzieht durch die Pädagogik.
Kreatives Spiel mit einfachen Materialien
Wenn in Einrichtungen ein Bauraum zur Verfügung gestellt wird und da drin diese Unit Blocks zu sehen sind und nicht noch ganz viel andere Baumaterialien – ich meine jetzt Duplo, Lego, sonstige Spielmaterialien. Dann beziehen sich die Kinder tatsächlich auf die einfachen Formen der Unit Blocks und können ihrer Phantasie Lauf lassen. Und das ist natürlich in unserer heutigen Zeit auch ein Ziel in der Erziehung, dass die Kinder nicht so festgelegt einfach bestimmte Bahnen weiterlaufen, wie es die Industrie vorgibt.
Susanne Gebert: In unserer Einrichtung damals haben Eltern erzählt, dass die Kinder zu Hause mit anderen Dingen spielen als vorher. Das heißt, dass das, was an Spielzeug, an Konsumspielzeug da war, plötzlich nicht mehr so interessant war, sondern die Kinder sich die Werkzeugkiste des Vaters nahmen oder die Küchenutensilien in der Küche benutzt haben oder, oder, oder.
Barbara Kühnel: Wenn wir zu Kindern sagen „Micky Maus“ denn wissen sie sofort, wie Micky Maus aussieht. Diese ganzen anderen Filme, die laufen, haben ja gleich in der Folge einen wirtschaftlichen Gewinn, indem die Puppen dazu da sind und so weiter. Es gibt sowieso an fertigen Lauf in den sonstigen Spielmaterialien, und das ist bei den Unit Blocks überhaupt nicht. Und die Kinder können auch diese Einflüsse, die sie aus ihrem eigenen Spielzimmer mitbringen, die sie auch sehr eingrenzen, können sie mit den Bausteinen auf eine ganz andere Art und Weise verarbeiten, bearbeiten und auch erfahrbar machen.
Bildung mit Bausteinen
Susanne Gebert: Unit Blocks machen für Kinder ein Bildungsfeld auf, dass sie sonst tatsächlich auch nicht haben und nicht erleben können, dass sie auch zu Hause nicht haben können. Das funktioniert tatsächlich nur einer Einrichtung, weil in welchem Kinderzimmer kann man einen Unit Block Set mit über 300 großen Steinen unterbringen?
Was ich auch als Rückmeldung kriege – aus Bauräumen – ist, dass die mir erzählen, wenn die mit den Unit Blocks arbeiten, dass mehr Mädchen in den Bauräumen zu finden sind. Anscheinend, weil das Material tatsächlich so anregend ist, das Bauen keine männliche Tätigkeit mehr ist, sondern genauso spannend und herausfordernd für Mädchen.
Bildungsbereiche
Barbara Kühnel: Das Spiel mit den Unit Blocks oder Einheitsbausteinen, so wie es hier in Deutschland genannt wird, hat die Möglichkeit, dass alle Bildungsbereiche, die in den Orientierungsplänen und in den Bildungsplänen der Bundesländer zu finden sind, von den Kindern bespielt werden können und von daher, die Entwicklungsmöglichkeit der Kinder sich deutlich zeigen kann und es weit weg ist, von dem dass Kinder „einfach nur Bausteine aufeinanderstapeln – und was ist das schon?“
Susanne Gebert: Also die Bildungsbereiche, die die Unit Blocks abdecken, ist natürlich ein großer Bereich in diesen mathematischen, technischen, naturwissenschaftlichen Erfahrungen. Die Kinder lernen Statik, sie gehen mit Zahlen um, sie gehen mit Größen um, sie gehen mit Mengen um. Sie probieren sich aus. Sie steigen vielleicht auf einen Stuhl und lernen dadurch: „Da kann ich noch höher bauen.“
Aber zum Beispiel auch im Bildungsbereich Gesundheit und Bewegung: Ich stehe auf Zehenspitzen, ich balanciere irgendwo, ich stehe vielleicht, wenn die pädagogische Fachkraft das erlaubt, auf einem Regal und kann weiter bauen. Ich muss Feinmotorik und Grobmotorik in irgendeiner Form beherrschen.
Im sozialen Bereich: Ich muss mich absprechen, ich muss mit anderen Kindern reden. Ich muss Kompromisse eingehen, ich muss verhandeln. Also, all das kommt mit dazu, so dass man eine große Bandbreite hat.
Sprache: Kinder sprechen beim Bauen. Sie sprechen mit sich alleine, sie sprechen mit anderen, sie summen und singen beim Bauen, beim konzentrierten Bauen. Also [da ist] eine große Spannbreite, die da an den Bildungsbereichen der Berliner und der Bildungsprogramme der anderen Länder zu finden sind.
Wie soll ein Bauraum aussehen?
Barbara Kühnel: Ein Bauraum braucht eine gewisse Größe, sodass die Kinder sich nicht gegenseitig behindern in ihrer Tätigkeit. Das ist die erste Sache. Er sollte hell sein und er braucht unterschiedliche Ebenen. Das kann man ganz gut mit Kästen und kleinen Tischen herstellen, so dass die Kinder nicht nur auf dem Boden bauen, sondern auch auf unterschiedlichen Ebenen bauen. Es gehört auch dazu, dass man ganz normale Zollstöcke zur Verfügung stellt, sodass die Kinder, wenn sie es brauchen, auch messen können, und es gehört auf alle Fälle dazu, dass man anregende Fotos, Bilder aufhängt, in Kinderhöhe, mit Bauwerken, mit mit Dingen aus der Stadt, wo sie es sozusagen nachkonstruieren können und ausprobieren können. Also: „Wie sieht hier zum Beispiel der Funkturm aus?“, hier für Berlin gesagt. Und was ist die Herausforderung? Wie schaffe ich das, so hoch zu bauen, ohne dass es einstürzt? Was braucht es für Statik? Also wir brauchen anregende Bilder an den Wänden. Wünschenswert ist auch immer ein Spiegel, sodass man bauen kann als Kind und das in verschiedenen Wahrnehmungen nochmal auf sich wirken lassen kann. Das Wunderbare an den Unit Blocks ist es, dass es ja dazu auch ein Regal gibt, was passend ist. Und wir empfehlen immer den Einrichtungen, diese Bausteine immer mit dem Regal zusammen zu kaufen. Das ist auch das, was wir fördern und das heißt von vornherein, dass die Kinder jederzeit in dem Bauraum Zugang zu den Bausteinen haben.
Aufräumen nach dem Spiel
Wenn Kinder fertig gebaut haben und das für den Tag beendet ist, wissen wir, dass es den Kindern in der Regel sehr schwer fällt, wenn es tolle Gebäude sind, die einfach wegzuräumen und das macht auch gar keinen Sinn. Da gibt es völlig unterschiedliche Maßnahmen von super Pädagogen, die einfach sagen, da werden Schilder aufgestellt, da steht einfach „Stop“ drauf oder da werden Schilder aufgestellt: „Das gehört Max“, also ganz unterschiedliche Sachen. Da lernen wir auch immer noch, wenn wir durch die Häuser gehen und das gibt den Kindern die Chance, es einfach stehen zu lassen, es für den nächsten Tag griffbereit zu haben, weiterbauen zu können oder, wenn es nicht geht, es muss auch mal eingeräumt werden, damit es wieder ein eine Anregung gibt, neu zu bauen, dass einfach Fotos gemacht werden von dem Gebäude. Dann fällt es den Kindern viel leichter, wieder wegzuräumen, und es ist eine ganz schöne Sache, den Eltern des Kindes ist auch zu zeigen, was das Kind den ganzen Tag gemacht hat – oder einen Teil des Tages gemacht hat.
Susanne Gebert: Ich habe jetzt gerade in einer Einrichtung eine ganz süße Idee gesehen, da haben die Erzieher so kleine Kärtchen mit den Bausteinen gemacht und wenn die Kinder aufräumen sollen, was dort einmal in der Woche nur passiert – ansonsten bleibt es so, aber einmal in der Woche wird aufgeräumt – dann ziehen die ein Kärtchen. Da ist jetzt zum Beispiel der Quader drauf und dann weiß das Kind ich muss alle Quader aufräumen und mein Freund muss alle Rechtecke oder alle Bögen aufräumen – ganz toll, funktioniert super für die Kinder, es ist spannend. Und dann wird Aufräumen zum schönen Spiel und nicht zu einem Muss.
Aufgaben der pädagogischen Fachkraft
Barbara Kühnel: Die Aufgaben der pädagogischen Fachkraft in einem Funktionsraum, zum Beispiel auch in einem Bauraum, sind Anwesenheit, da sein, aktiv da sein, den Kindern zuzuhören, sie zu unterstützen in dem, was sie vielleicht noch an Material zusätzlich brauchen, vielleicht ein Stück auch durch die Sprache Anregungen zu geben: „Ach du könntest doch auch noch an das denken? Wie wäre das?“ Möglicherweise noch Bücher ranzuschaffen, um etwas zu vertiefen und auch darauf zu achten, dass Kinder während des Bauens von anderen nicht gestört werden, wenn man den Eindruck hat, dieses Kind möchte das jetzt alleine machen oder auch Prozesse, die unter den Kindern in kleinen Gruppen laufen, einfach entsprechend zu unterstützen.
Susanne Gebert: Wenn es um das Eingreifen in das Spiel eines Kindes geht – egal, ob das jetzt Bausteine sind oder nicht – müssen pädagogische Fachkräfte sehr sensibel sein und müssen sehr gut gucken, wo kommt der Punkt, wo Kinder nicht mehr weiter können alleine oder wo kommt der Punkt, wo sie verzweifeln oder wo sie aufhören würden, weil es nicht funktioniert? Und genau den Moment abzupassen und zu sagen okay, jetzt bin ich da, jetzt kann ich dich unterstützen mit einer Frage mit einer Idee mit einem kleinen Eingreifen und einen Baustein zurechtrücken. Oder aber zu sagen: „Nee, das schafft der ganz alleine, da bin ich mir ganz sicher, da kann ich vertrauen in die Fähigkeiten des Kindes.“ Das können sicherlich nicht alle. Aber das ist auch eine Aufgabe, die es zu schulen gilt. „Wann greife ich ein?“
Wir haben ja einen Fortbildungsformat entwickelt für das Spiel mit den Unit Blocks für die pädagogischen Fachkräfte und das erste, was wir mit denen dort machen, ist, einmal alle Kisten auspacken und sie selber spielen lassen. Ich erlebe dann als Fortbildnerin das gleiche, was man bei den Kindern sieht, dass die auspacken und sofort anfangen zu bauen, wirklich ganz konzentriert. Erwachsene aller Altersgruppen aller Erfahrungsspektren in der Einrichtung bauen begeistert auf der Erde mit diesen Bausteinen. Und das, finde ich, ist die erste Erfahrung, die sie tatsächlich machen können, und dann wissen Sie gut, was sie in einem Bauraum tun müssen.