Artikel

Sprachentwicklung in der Kita wirkungsvoll fördern

Beziehungen als Schlüssel zum Erlernen von Sprache

Jennifer Fiechtner | Februar 2017

Kindern dabei zu helfen, einen Wortschatz aufzubauen und sprachliche Fähigkeiten zu entwickeln, um das zu bekommen, was sie brauchen und wollen, ist eine wichtige pädagogische Aufgabe für Kindergärten und Kitas. So viele wichtige Entwicklungsaufgaben sind an die Fähigkeit von Kindern gebunden, zur richtigen Zeit die passende Sprache zur Verfügung zu haben und sie kompetent zu verwenden. Und einer der wichtigsten Indikatoren, um die spätere Lesekompetenz von Kindern vorherzusagen, ist die Größe ihres Wortschatzes im Alter von fünf Jahren.

Unser Einfluss als Pädagogen ist besonders wichtig für Kinder, die aus finanziell schwachen Elternhäusern kommen. Studien zeigen, dass diese Kinder bis zum Alter von drei Jahren bis zu 3 Millionen weniger Wörter gehört haben als ihre besser gestellten Altersgenossen. Weitere Forschungen haben bestätigt, dass sich Sprache im Allgemeinen und Wortschatz im Besonderen am besten im Rahmen von Beziehungen entwickelt, in sinnvollen, wechselseitigen Interaktionen über Themen, die dem Kind wichtig sind. Es reicht nicht aus, dass das Kind Worte hört – die Beziehung, in der Sprache stattfindet, ist die Grundlage für das Lernen von Sprache.

Das Gehirn ist dazu ausgelegt, in der frühen Kindheit Sprache wie ein Schwamm aufzusaugen. Es gibt drei unterschiedliche Arten von Sprachkompetenz, die Pädagogen im Auge behalten sollten.

Expressive Sprache: Die Worte, die Kinder verwenden, wenn sie selbst sprechen.

Rezeptive Sprache: Die Wörter, die Kinder verstehen können, auch wenn sie sie beim Sprechen vielleicht nicht verwenden. Typischerweise viel umfangreicher als die expressive Sprache, besonders für diejenigen, die eine zweite Sprache sprechen oder regelmäßig hören.

Pragmatische Sprache: Die Art und Weise, wie Sprache in sozialen Kontexten verwendet wird – zu wissen, was man sagt und wie man es sagt, um ein gewünschtes Ergebnis zu erzielen. Erfordert einen großen Wortschatz, sowie ein differenziertes Verständnis des sozialen Umfelds.

Krippenkind und Erzieherin spielen zusammen

Die gute Nachricht ist, dass Erzieherinnen und Erzieher die Sprachentwicklung von Kindern wirklich positiv beeinflussen können. Pädagogische Fachkräfte, die mit Säuglingen und Kleinkindern arbeiten, spielen hier eine besonders wichtige Rolle, weil sie schon die frühesten Kommunikationsversuche der Kinder bemerken und darauf reagieren können, lange bevor Babys ihre ersten Worte lernen. Kinder, die schon als Baby die Erfahrung machen, dass ihre Stimme gehört und wertgeschätzt wird, haben eine gute Grundlage für ihre weitere Sprachentwicklung.

Hier sind drei Möglichkeiten, wie Sie Kindern helfen können, die anspruchsvollen sprachlichen Fähigkeiten zu entwickeln, die sie brauchen, um ihr Leben zu meistern – zunächst in der Kita und später auch in der großen weiten Welt.

1. Verwenden Sie Bücher, um den Wortschatz zu erweitern.

Frau Kenzi liest in ihrer Gruppe von Vierjährigen ein Buch über einen Fisch vor. Sie befinden sich gerade mitten im Ozean, und die Kinder sind sehr in die Handlung des Buchs involviert. Als sie liest, „Der Fisch ist verblüfft“, macht sie eine Pause und fragt: „Verblüfft? Weiß jemand, was das bedeutet?“ Brian sagt: „Überrascht?“ Nikki sagt: „Erstaunt?“ Frau Kenzi sagt: „Ihr habt beide recht! Verblüfft ist ein anderes Wort für das Gefühl, wirklich überrascht zu sein!“

Diese erste Strategie ist so einfach, dass Sie sie wahrscheinlich schon anwenden. In vielen Gruppen spielt Vorlesen eine zentrale Rolle im Tagesablauf. Es bedarf nur einer geringfügigen Veränderung, um die Sprachentwicklung gezielt zu fördern. Wir alle wissen, wie sehr Kleinkinder Wiederholungen lieben – machen Sie sich diesen Drang zunutze, indem Sie das gleiche Buch immer wieder lesen und auch die Familien dazu anregen, mitzumachen. Dies hilft den Kindern, den Rhythmus der Sprache zu verstehen und die Struktur von Sätzen und Erzählungen zu verinnerlichen. Fügen Sie neben ihren Dauerbrennern immer wieder neue Bücher hinzu, und bauen Sie dabei auf den aktuellen Interessen der Kinder auf.

Ältere Kindergartenkinder profitieren vom Hören und Lesen von Büchern mit einer großen Vielfalt an Vokabeln und Erzählstilen. Wenn Sie auf ein Wort stoßen, das den Kindern vielleicht nicht vertraut ist, nehmen Sie sich einen Moment Zeit, um darüber zu sprechen. Fragen Sie die Kinder, ob sie eine Idee haben, was es bedeutet – und lassen Sie sich davon überraschen, wie viel sie wissen. Kinder lernen oft am besten voneinander. Für die Erweiterung des Wortschatzes ist es deshalb wichtig, sich Zeit zu nehmen, um über das Gelesene zu sprechen. Außerdem hilft es dabei, die Interessen der Kinder zu verstehen, was wichtig für die Wahl weiterer Bücher ist.

Achten Sie darauf, dass die Bücher, die Sie auswählen, gut und vorurteilsfrei geschrieben sind und eine breite Vielfalt in Hinblick auf Geschlecht, Ethnizität, Behinderung, Familienstrukturen usw. repräsentieren. Ihre örtliche Kinderbibliothek kann Ihnen vielleicht helfen, außerdem gibt es eine Fülle von Ressourcen im Internet, um vielfältige, ansprechende und qualitativ hochwertige Bücher zu finden. Lesen Sie die Bücher zuerst selbst, um sicherzugehen, dass sie gut zu Ihnen und der Gruppe passen. Wenn Sie ein Buch lieben, wird Ihre Begeisterung die Kinder anstecken und einen Bezug zu all den neuen Wörtern herstellen.

Zwei Krippenkinder lesen gemeinsam Bücher

2. Integrieren Sie indirekte Methoden, um Sprache zu stimulieren.

Eine weitere sanfte Strategie, die Erziehungskräfte anwenden können, ist das indirekte Stimulieren von Sprache. Diese Techniken wurden von Logopäden entwickelt und konzentrieren sich auf die Sprache, die Sie bei der Interaktion mit Kindern im Rahmen Ihrer Beziehung verwenden. Es sind hervorragende Methoden, Kindern zu helfen, komplexere Sprachkenntnisse zu entwickeln und einen größeren Wortschatz aufzubauen.

Die erste Technik ist die Beschreibung. Bei dieser einfachen Strategie erzählen oder beschreiben Sie, was in der Welt des Kindes vor sich geht. Wenn Sie ein Interesse bemerken, erklären Sie dem Kind, was es gerade sieht. Dies ist besonders nützlich bei Kindern unter drei Jahren, Zweitsprachlern und Kindern mit Sprachverzögerungen, die am Aufbau ihres aktiven Wortschatzes arbeiten.

„Joseph baut einen großen Turm!“

„Das ist Marissas Stiefmutter. Sie ist heute hier, um Marissa abzuholen.“

„Auf deinem Teller sind Brokkoli, Nudeln und Erdbeeren.“

Die zweite Technik ist das Parallelgespräch. Parallelgespräche sind „Du-Sätze“, die sich auf das konzentrieren, was das Kind tut, seine Handlungen in Form von vollständigen Sätzen mit Worten verbindet und, wann immer möglich, neue Begriffe einführt. Das stärkt auch Ihre Beziehung zu den Kindern, denn es zeigt ihnen, dass Sie sie wertschätzen und wahrnehmen, was sie gerade tun.

„Du hast heute ein rotes Hemd und eine karierte Hose an!“

„Du fütterst dein Baby auf dem Hochstuhl.“

„Du gräbst ein tiefes Loch im Sand!“

Das Selbstgespräch ist die dritte hier behandelte Sprachtechnik. Selbstgespräche konzentrieren sich auf Ihre eigenen Handlungen und erklären, was Sie tun und warum – es sind „Ich-Sätze“. Selbstgespräche sind auch eine gute Möglichkeit, Kinder auf Übergänge vorzubereiten, indem sie ihre Aufmerksamkeit auf die wichtigen Hinweise lenken, die Sie ihnen geben, was als Nächstes passieren wird.

„Ich wische den Tisch, denn es ist gleich Zeit für einen kleinen Snack.“

„Ich packe jetzt meine Tasche, denn in fünf Minuten wird es Zeit sein, nach drinnen zu gehen.“

„Ich schreibe eine Nachricht an deinen Vater, damit er weiß, dass du heute ganz alleine Dreirad gefahren bist.“

Eine weitere Technik zur Stimulation von Sprache ist die Erweiterung. Die Erweiterung ist eine ideale Strategie für Kinder, die gerade lernen, Wörter zusammenzusetzen, um komplexere Ideen auszudrücken. Bei dieser Strategie nimmt man auf, was das Kind sagt und erweitert es – manchmal durch Hinzufügungen – um einen vollständigen Satz zu bilden, besser passende Begriffe anzubieten und die Gelegenheit auszunutzen, den Kontakt mit dem Kind auszubauen.

Max sagt: „Milch!“ Seine Erzieherin sagt: „Du möchtest gerne Milch trinken! Ich schenk‘ dir etwas ein.“

Leila sagt: „Mama tschüss.“ Ihr Erzieher sagt: „Deine Mama ist zur Arbeit gegangen. Nach dem Mittagsschlaf kommt sie und holt dich wieder ab.“

Ahmed sagt: „Oh, groß!“, und seine Erzieherin sagt: „Ich sehe den Lastwagen auch! Er ist riesig!“

Ein wichtiges Detail dieser Techniken zur indirekten Sprachstimulation ist, dass sie in diesem Moment das Kind in keiner Weise fordern. Die Kinder müssen nichts nachsprechen und auch nicht ihre eigene Sprache ändern. Stattdessen lernen sie mit der Zeit von Ihrem guten Beispiel – im Rahmen einer vertrauten und unterstützenden Beziehung.

Erzieherin und Kind spielen zusammen mit einem Ball

3. Fördern Sie Nicht-Muttersprachler und seien Sie sensibel für die Kultur, die Kinder zu Hause erleben.

Der dreijährige Tavo ist neu in der Gruppe. Bis vor kurzem lebte er mit seiner Mutter zu Hause, wo hauptsächlich Spanisch gesprochen wird. Seine Erzieherin begrüßt ihn bei seiner Ankunft in der Kita: „Hola! ¿Cómo estás? Guten Morgen! Wie geht es dir?“ Sie nimmt sich einen Moment Zeit, um seiner Mutter die neuen Etiketten zu zeigen, die sie für den Spielzeugbereich gemacht hat und die den Inhalt der Behälter nun auch auf Spanisch benennen. Bevor seine Mutter für den Tag weggeht, bittet die Erzieherin Tavos Mutter, sein Wort für die besondere Decke aufzuschreiben, die er von zu Hause mitgebracht hat, damit sie sie ihm leichter anbieten kann, falls er sich unsicher fühlt und sie braucht.

Viele Kinder sprechen zu Hause eine andere Sprache als die, die in der Kita gesprochen wird, und diese Kinder müssen eine für sie fremde Sprache erlernen, wenn sie anfangen, in die Kita oder Tagespflege zu gehen. Während einige Pädagogen und Familien befürchten, dass es ein Kind verwirren könnte, wenn es zwei Sprachen lernt, gibt es keinen Hinweis darauf, dass dies zu Sprachverzögerungen führt. Im Gegenteil: Die Vorteile, mehrsprachig aufzuwachsen, können sich auf das ganze Leben auswirken.

Arbeiten Sie mit der Familie zusammen, wenn ein Kind in Ihre Gruppe kommt, das die Sprache neu lernen muss. Bitten Sie die Familienmitglieder, Ihnen die wichtigsten Wörter zu nennen, die zur Vermittlung von Bedürfnissen verwendet werden, insbesondere solche, die sich auf Essen, Schlafen, den Toilettengang und Schmerzen beziehen. Konzentrieren Sie sich dann darauf, dem Kind zu helfen, diese neuen Wörter gleich am Anfang zu lernen, damit es seine Grundbedürfnisse mitteilen kann, und bauen Sie Vertrauen und ein Gefühl der Sicherheit auf, das alle Kinder brauchen, um lernen zu können. Denken Sie daran, dass das Erlernen einer neuen Sprache sowohl anstrengend als auch stressreich ist – und dass die Kinder möglicherweise zusätzliche Unterstützung von Ihnen benötigen.

Verwenden Sie in Ihrem Gruppenraum Bilder, Etiketten, Gegenstände und reale Ereignisse, um die Sprache, die das Kind kennt, mit der Sprache, die es lernt, zu verknüpfen. (Diese Lernstrategie für Wortschatz und Literacy ist für alle Kinder förderlich.) Laden Sie das Kind und seine Familie ein, ihre Muttersprache und ihre Kultur in Ihrem Gruppenraum vorzustellen. Lieder, Bücher und in der Familie gefeierte Feste sind wunderbare Möglichkeiten, allen Kindern zu einem weiteren Horizont zu verhelfen.

Denken Sie schließlich daran, dass Kultur und Sprache eng miteinander verbunden sind. Es ist wichtig, sich bewusst zu sein, dass jede Kultur Unterschiede in der Art und Weise hat, wie sie Sprache verwendet. Auch nonverbale Erwartungen wie Augenkontakt, Respekt gegenüber Erwachsenen und welche Art von Informationen als Privatangelegenheit gelten, variieren.

Die beste Methode, etwas über die Kultur und Sprache einer Familie zu erfahren, ist zu fragen. Ein Fragebogen kann ein nützliches, unaufdringliches Mittel sein, um mehr zu erfahren und zu verstehen. Eine Internetrecherche kann dabei helfen, Blog-Beiträge und Artikel zu finden, die sich auf bestimmte kulturelle Nuancen beziehen (aber achten Sie darauf, von welcher Quelle solche Informationen stammen – die besten Beiträge sind die, die von Mitgliedern der jeweiligen Gruppe geschrieben wurden). Es ist auch wichtig, mit Kollegen und anderen Erwachsenen aus diesen Kulturkreisen zu sprechen – ein objektiver Dritter kann oft Details sehen, die sonst im Alltag unbemerkt bleiben.

Erzieherinnen und Erzieher spielen eine wichtige Rolle bei der Sprachentwicklung von Kindern in frühpädagogischen Einrichtungen. Ihre Bemühungen um den Aufbau einer Beziehung, in der Kommunikation wertgeschätzt wird, und um die Umsetzung von Strategien, die den Wortschatz der Kinder bewusst erweitern, haben einen nachhaltigen Einfluss auf ihre Bildungsbiografie.

Quellenangaben:

Colker, L. 2014. „The word gap: the early years make a difference“ Teaching Young Children, (7)3, 26–28 February/March. Abgerufen von https://www.naeyc.org/tyc/article/the-word-gap/

Diesen, D. 2008. The Pout-Pout Fish. New York: Farrar, Straus, and Giroux.

Forrester, M. & K. Albrecht, 2014. Social Emotional Tools For Life: An early childhood teacher’s guide to supporting strong emotional foundations and successful social relationships. Houston: Innovations in ECE Press.

Gros-Louis, J., M. West 2014. „Maternal responsiveness and the development of directed vocalizing in social interactions.“ Infancy¸ 19(4). 385–408, 29. Mai doi: 10.1111/infa.12054

Hart, B., T.R. Risley. 2003. „The Early Catastrophe: The 30 million word gap by age 3“ American Educator. 27(1), 4–9.

Lowry, L. 2012. „Build your child’s vocabulary“ The Hanen Centre. Abgerufen von www.hanen.org/helpful-info/articles/build-your-childs-vocabulary

Nemeth, K. 2009. Many Languages, One Classroom: Teaching dual and English language learners. Washington DC: National Association for the Education of Young Children.

Nemeth, K. 2012. Basics of Supporting Dual Language Learners: An introduction for educators of children from birth through age 8.Washington DC: National Association for the Education of Young Children.

Rowe, M. 2012. „A longitudinal investigation of the role of quantity and quality of child-directed speech in vocabulary development.“ Child Development, 85(5), 1762–1774. Abgerufen von www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3440540/

Zeigler, K., S. Camarota. 2014. „One in five U.S. residents speaks foreign language at home, record 61.8 million“ Center for Immigration Studies. October. Abgerufen von cis.org/record-one-in-five-us-residents-speaks-language-other-than-english-at-home/

Themen
Sprachbildung, Schrift, Kommunikation
Alter
Elementarbereich
Verwendung
Weiterbildung