Aus dem Tierreich: Ideen für die Raumgestaltung in der Kita
Lektionen vom Laubenvogel
| Juni 2019Obwohl es seltsam scheint, dass ein Vogel als Rollenvorbild für pädagogische Fachkräfte dienen sollte, hat der kleine Laubenvogel, der in Australien und Neuseeland heimisch ist, uns eine Menge zu vermitteln, wenn es um die Ausstattung von Gruppenräumen in Kitas geht. Dieser erstaunliche Künstler und Architekt nimmt einiges auf sich, um sein Nest bzw. seine Laube zu bauen und zu schmücken. Das Laubenvogelmännchen verbringt unzählige Stunden damit, farbige Glasstückchen, Schnipsel von bunten Girlanden und Lametta, glänzende Kaugummipapierchen, Milchverschlüsse aus Aluminium, Metall- und Plastikstückchen, winzige Teile von bunten Beeren und farbige Schnüre und Fäden zu suchen, zu sammeln und damit seine Behausung zu schmücken. Seine Sammlungen sind sorgfältig nach Materialart und Farbe geordnet – besonders achtet er auf die Farbe Blau, die bei den Laubenvogelweibchen beliebt ist.
Im Gegensatz zu dem Durcheinander, das in vielen Gruppenräumen in Kitas herrscht, werden die Objekte in diesen Lauben bewusst nach ihrem Wert ausgewählt und gezielt platziert. Die Nester sehen keineswegs alle gleich aus, sondern jedes ist einzigartig und eine künstlerische Schöpfung. Sehen Sie sich Ihren Gruppenraum noch einmal aus der Perspektive eines Laubenvogels an und überlegen Sie, wie Sie den Raum ansprechender, schöner und zweckmäßiger machen können.
Erste Lektion: Seien Sie ein Kurator.
Das Nest des Laubenvogelmännchens ist mehr als nur ein Ruheplatz, es ist dazu gemacht, ein freundlicher und einladender Ort zu sein. Es ist ein ausgesprochen schöner Platz, der daraufhin ausgelegt ist, das Laubenvogelweibchen anzulocken. Der natürliche Impuls des Vogels besteht darin, seine Wertschätzung der von ihm gefundenen Objekte auszudrücken, indem er sie mit großer Sorgfalt präsentiert. Jedes Objekt, das in den Nestbereich gebracht wird, wird wie ein Schatz behandelt und bewusst platziert, ebenso wie der Kurator eines Kunstmuseums ein schönes Ölbild in einer Galerie aufhängt. Der Laubenvogel ist ein Kurator.
So wie der Laubenvogel seine gefundenen Schätze arrangiert und ausstellt, sind auch die Museumskuratoren für die Gestaltung und Anordnung von Kunstwerken in einer Ausstellung verantwortlich. Kuratoren bestimmen, wie und wo die unbezahlbaren Objekte und Kunstwerke ausgestellt werden. Sie sind die Hüter der Werke der Künstler. Dies ist eine Einladung an Sie, zum Hüter und Kurator der Arbeiten Ihrer Kinder zu werden. Feiern Sie die Erfolge der Kinder und drücken Sie Ihre Freude darüber aus, so wie Sie es auch mit erlesenen Kunstwerken machen würden. Präsentieren Sie die Werke der Kinder auf ästhetisch ansprechende Weise. Seien Sie ein Laubenvogel.
Eine Möglichkeit, Wertschätzung für Kinder auszudrücken, besteht darin, kritisch darüber nachzudenken, wie man ihre Arbeiten präsentiert. Die kreativen Arbeiten der Kinder sollten auf eine Weise gezeigt werden, die Respekt für ihre künstlerische Leistung signalisiert. Bevor man eine solche Arbeit aufhängt, kann man sich als Faustregel diese Frage stellen: „Würde ich dieses Bild, so wie es ist, in meinem Haus aufhängen?“ Wenn die Antwort „nein“ ist, dann ist es wichtig, sich die nächste Frage zu stellen: „Was könnte ich tun, um diese Arbeit dieses Kindes besser zu würdigen?“
Eine Technik, um die Wichtigkeit der Arbeiten der Kinder zu zeigen, ist, sie wie für eine Ausstellung in einer Galerie herzurichten, bevor man sie aufhängt oder präsentiert. Versuchen Sie beispielsweise, einige Kinderbilder mit ähnlichen Rahmen zu versehen. Vielleicht können Sie spezielle Texturen wie Sackleinen, Grastuch oder Filzstoffe verwenden. Oder verwenden Sie unterschiedliche Hintergründe wie gewebte Tischsets oder Korkfliesen. Zeigen Sie die Arbeiten der Kinder auf ungewöhnliche Weise, etwa auf einem Stuhl mit gekürzten Beinen, der als Regal dient; eine Kinderzeichnung, auf eine großen Baumscheibe montiert, oder ihre Fotos in einem alten Fenster, das von hinten beleuchtet ist.
Ansprechend gerahmte oder präsentierte Arbeiten von Kindern kommunizieren und bestätigen ihren Wert für den Künstler, die Gruppe und all die, die den Raum betreten. Präsentieren Sie die Arbeiten auf eine Weise, die Wertschätzung ausdrückt. Diese Strategie kann für alle kindlichen Lernumgebungen gelten. Seien Sie ein Kurator. Seien Sie ein Laubenvogel.
Zweite Lektion: Streben Sie nach Schönheit und Zweckmäßigkeit.
Das Laubenvogelmännchen trifft zweckmäßige und bewusste Entscheidungen, wenn es Gegenstände sucht, um sein Nest zu schmücken. Weil er weiß, dass das Weibchen die Farbe Blau liebt, wählt er absichtlich blaue Gegenstände aus. Außerdem sucht er mit viel Sorgfalt glänzende und glitzernde Gegenstände aus, die er als wichtigen Nestschmuck verwendet. Genau wie der Laubenvogel brauchen auch Kinder Schönheit in ihren Räumen. Suchen Sie Schönheit, sammeln Sie sie und schaffen Sie Inseln der Ästhetik in Ihrer Umgebung. Seien Sie ein Laubenvogel.
Jedes Laubenvogelnest ist einzigartig. Genau wie bei Gruppenräumen in einer Kita gibt es in den Nestern dieser Vögel verschiedenste Dinge in allen Größen und Formen, die individuell angeordnet sind. Trotz dieser Unterschiede gibt es jedoch den gemeinsamen Nenner von Schönheit und Zweck in jedem dieser Nester: Das Laubenvogelmännchen wählt bewusst schöne Objekte für das Nest aus, um das Weibchen anzuziehen.
Machen Sie Schönheit und Zweckmäßigkeit zu Ihrem gemeinsamen Nenner, wenn Sie Räume für kleine Kinder gestalten. Um ein Laubenvogel zu sein und Inseln der Schönheit in Ihrem Gruppenraum zu schaffen, müssen bewusste Entscheidungen getroffen werden. Einige dieser Entscheidungen können unbequem sein, weil das Schaffen von einzigartigen und ästhetisch ansprechenden Räumen der Annahme widerspricht, alle Gruppenräume müssten gleich aussehen. Sie müssen verinnerlicht haben, dass Ihr Gruppenraum kein identisches Abbild der anderen Gruppenräume in der Einrichtung sein muss oder genauso aussehen sollte wie die Bilder in einem Katalog. Als Laubenvogel müssen Sie über das Gewöhnliche hinaus denken.
Eine Möglichkeit, sich von den Katalogbildern zu emanzipieren, ist, kritisch über die Wände des Gruppenraums nachzudenken. Wie hoch ist die Anzahl der gekauften Poster, die an der Wand hängen, gegenüber der Anzahl der dort präsentierten Arbeiten der Kinder? Ist da das Poster mit dem Alphabet oder die Farbtafel, die praktisch das ganze Jahr über an derselben Stelle sind? Hängen Cartoon- oder Bilderbuchfiguren an den Wänden Ihres Gruppenraums? Ist ein Rahmen in grellen Farben und gezackten Rändern um das schwarze Brett herum? Ist das meiste davon laminiert? Wenn Sie eine dieser Fragen mit „Ja“ beantwortet haben, dann ist es an der Zeit, dass Sie zu einem Laubenvogel werden und alternative Möglichkeiten nachdenken, Ihren Lebensraum zu schmücken.
Dritte Lektion: Seien Sie pingelig.
Genau wie ein Laubenvogel sollten auch Sie pingelig mit dem sein, was in Ihrem Gruppenraum ist – besonders mit dem, was an den Wänden aufgehängt ist. Eine Möglichkeit, das zu erreichen, ist die Entkommerzialisierung der Wände. Man fängt an, indem man alles von den Wänden und schwarzen Brettern des Gruppenraums entfernt. Dann macht man es wie der Laubenvogel und wählt bewusst und sorgfältig aus, welche Dinge wieder aufgehängt werden und welche nicht. Einige Richtlinien:
- Das meiste dessen, was an den Wänden präsentiert wird, sollten die kreativen Arbeiten der Kinder sein, und nur sehr wenig gekauftes Material (Poster, Karten) oder niedliche Cartoonfiguren sollten an den Wänden sein (wenn überhaupt).
- Erstellen Sie Galerien mit Bildern, die in Gruppen arrangiert sind. Um es interessant und abwechselnd zu gestalten, können Sie die Bilder so zusammenstellen, dass jedes mit einer anderen Technik gemacht ist, z.B. Wasserfarben, Wachsmalstifte oder Collage.
- Geben Sie Kindern die Möglichkeit, Präsentationen zu gestalten. Lassen Sie die Kinder zum Beispiel lieber ein Poster mit dem Alphabet malen als ein entsprechendes Poster zu kaufen. Kinder können das selber machen und Stöckchen, Steinchen, Ton oder kleine Tannenzapfen verwenden, um die Buchstaben darzustellen.
Vierte Lektion: Schaffen Sie Räume, die Bedeutung haben.
Das Laubenvogelmännchen verfolgt ein bestimmtes Ziel, wenn es Gegenstände sucht, um sein Nest damit zu schmücken. Mit jedem sorgfältig platzierten Objekt vermittelt das Laubenvogelmännchen dem Weibchen die Botschaft: Du bist wichtig.
Schauen Sie sich an, was an den Wänden Ihres Gruppenraums hängt. Ist alles sorgfältig ausgewählt und platziert? Ist bei jedem Stück klar, warum es wichtig ist und an der Wand präsentiert werden sollte? Welche Botschaft vermitteln diese Gegenstände den Kindern? Wände, die mit gekauften Karten und Postern vollgehängt sind, können Gleichgültigkeit vermitteln, weil dasselbe Material Tag für Tag und Monat für Monat an der Wand ist. Sie können Langeweile vermitteln, wenn Kinder sich Tag für Tag dasselbe ansehen müssen. Sie können den Kindern sogar signalisieren „bleib weg hier“, denn Kinder haben kaum Möglichkeiten, sich kreativ mit laminierter Pappe auseinanderzusetzen. Tatsächlich können laminierte Materialien für Kinderaugen blendend wirken. Kinder, die unter einer Störung der Sinnesverarbeitung leiden, reagieren empfindlich auf diese Reize und schauen oft weg. Wände, die voller gekaufter Karten und Poster sind, werden zu nichts anderem als zu einem bedeutungslosen visuellen Rauschen.
Gestalten Sie Ihre Wände bedeutungsvoll, indem Sie laminierte Poster, Zahlenreihen, Alphabete und sogar den gekauften Kalender abhängen. Entfernen Sie das neongrüne Papier und den gezackten Rahmen vom schwarzen Brett. Nehmen Sie stattdessen echte, von den Kindern selbst gemachte Dinge, die Sie bewusst und mit einer klaren Absicht an den Wänden platzieren. Vermitteln Sie Ihren Kindern: Ihr seid wichtig. Seien Sie ein Laubenvogel.
Vielen Dank an Sue Penix, Baby- und Kleinkindspezialistin bei BCCCRC in Baltimore, die mein Interesse am Nestbau des Laubenvogels geweckt hat.
Beobachten Sie einen Laubenvogel dabei, wie er sein Nest baut.