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Wie können wir die sensorische Entwicklung fördern?

So können wir unsere Kinder in diesen unsicheren Zeiten unterstützen

Alicia Noddings | Juli 2020

Unsere Welt hat sich in den letzten Monaten dramatisch verändert. Gewohnte Aktivitäten außerhalb unseres Hauses bestimmen unsere Tage nicht mehr. Der plötzliche Mangel an sozialem Engagement und vorhersehbaren Routinen ist für viele von uns schwierig – und auch für unsere Kinder. Aber selbst inmitten einer so umfassenden Krise können wir Gelegenheiten finden, unseren Kindern auf Weisen zu helfen, an die wir früher wohl nie gedacht hätten.

Kleine Kinder entwickeln sich am besten, indem sie sich direkt mit der Welt beschäftigen, sich bewegen und mit allen Sinnen erkunden und Informationen aus ihrer Umgebung aufnehmen. Während wir im Allgemeinen davon ausgehen, dass wir fünf Sinne haben, haben wir in Wirklichkeit sieben: Sehen, Hören, Schmecken, Riechen, Fühlen, dazu vestibuläre und propriozeptive Wahrnehmung. Stellen Sie sich Ihren vestibulären Sinn als die Fähigkeit Ihres Körpers vor, sein Gleichgewicht und seine Bewegungen im Raum zu steuern, während der propriozeptive Sinn Informationen darüber verarbeitet, wie sich einzelne Teile Ihres Körpers bewegen, insbesondere Muskeln und Gelenke. Beide arbeiten auf einer unbewussten Ebene.

Wenn wir geboren werden, sind unsere Sinne zwar vorhanden, aber noch nicht vollständig organisiert und entwickelt. Während der ersten sechs bis acht Lebensjahre lernt unser Gehirn, wie es ein kontinuierliches Bombardement von Sinneseindrücken filtern und dabei feststellen kann, welche Eindrücke eine Bedrohung darstellen oder einem anderen wichtigen Zweck dienen. Dieser Prozess wird als sensorische Integration (SI) bezeichnet und seine Koordination nimmt mehr als 80% unseres Nervensystems in Anspruch. Das Ergebnis dieses Integrationsprozesses ist ein organisiertes Gehirn, das unsere Wahrnehmungen, Verhaltensweisen und unser Lernen prägt. Wenn alles gut geht, sind die Sinne eines Kindes bereits im frühen Grundschulalter so weit integriert, dass es die Schule besuchen, lernen und sich selbst regulieren kann.

Junge mit Spiralen auf den Fingern Kleinkinder sind ständig dabei, mit all ihren Sinnen ihre Umwelt zu erkunden

Kinder, die diesen sensorischen Input nicht effektiv regulieren können oder die noch lernen, wie sie mit der fortwährenden sensorischen Stimulation umgehen sollen, haben oft mit damit verbundenen herausfordernden Verhaltensweisen zu kämpfen. Als Pädagogen und Erzieher können wir Kindern unterschiedlichen Alters helfen, ihre sensorische Gesundheit zu verbessern und zu schützen. Ob im Kindergarten, in der Schule oder zu Hause, wir Erwachsene können Mittel zur Förderung einer gesunden sensorischen Entwicklung zur Verfügung stellen und so unsere Kinder auf das letztendliche Ziel der Selbstregulierung hinführen.

Mit Bewegung anfangen

Ein logischer Ansatzpunkt, um mit der Förderung von SI zu beginnen, besteht darin, häufige Gelegenheiten für Bewegung zu schaffen, im Idealfall mehrmals am Tag ein unstrukturiertes Spiel, das den ganzen Körper einbezieht. Wichtig ist aber auch eine Vielfältigkeit der Bewegungsmöglichkeiten. Kinder haben einen inneren Drang zu laufen, zu springen, zu schwingen, zu klettern, zu balancieren und sich zu drehen, vor allem im Freien. Sie müssen auf dem Kopf stehen, hüpfen, krabbeln und gehen, sich strecken, rutschen und Bewegungsspielzeuge wie Fahrräder, Roller und Schlittschuhe benutzen. Und ja, manchmal kann dies bedeuten, dass sie im Bewegungsspiel entwicklungsgerechte Risiken eingehen müssen. Warum? Wenn sie lernen, diese Risiken einzuschätzen und damit umzugehen, können sie Selbstvertrauen, Problemlösungsfähigkeiten und Resilienz entwickeln.

3 Kinder laufen über eine Wiese Kinder brauchen mehrmals am Tag unstrukturiertes Spielen, das den ganzen Körper einbezieht

Besonders in dieser Zeit, in der sich viele Kinder täglich zu Bildungszwecken mit Bildschirmen beschäftigen, könnten Eltern feststellen, dass es schwieriger denn je ist, ihren Kindern dabei zu helfen, sich körperlich mit ihrer Umgebung auseinanderzusetzen. Sorgen Sie dafür, dass die Kindern jeden Tag eine bestimmte Zeit haben, um sich zu bewegen, vollkommen ohne Kontakt zu elektronischen Geräten. Hier sind ein paar Ideen für Materialien und Aktivitäten, die auch zu Hause verwendet werden können, sowohl drinnen als auch draußen:

  • Mit einem Kletterseil, einer Baum- oder Reifenschaukel können Kinder zu Hause klettern, sich drehen und schaukeln.
  • Minitrampoline, Drehspielzeuge (wie z.B. ein Wirbelwind Karussell), Balancierbalken oder Hüpfbälle regen zum Hüpfen und Balancieren an.
  • Eine Klimmstange oder eine Schaukel für drinnen (etwa eine Kuschelschaukel, ein Schaukelstuhl oder ein Schaukelsessel) können Kindern helfen, Energie zu verbrauchen und sich zu beruhigen, besonders an Tagen, an denen man drinnen sein muss.
  • Eine kindgerechte Schubkarre mit Schaufel inspiriert zu „schwerer“ Arbeit. Zwei-Liter-Flaschen (mit Wasser gefüllt) oder ein alter Satz Enzyklopädien, Bücher oder Zeitschriften sind leicht erhältliche Gegenstände, die Kinder bewegen oder tragen können. (Achten Sie darauf, die Aktivität auf die Größe und das Gewicht des Kindes abzustimmen.)
  • Man kann einen Sensoriktisch machen aus zwei Spülschüsseln mit Materialien, die täglich variiert werden, zum Beispiel Sand, getrocknete Bohnen, Nudeln, Reis, Rasierschaum, Wasser, Perlen verschiedener Größen, Popcorn, Papierschnipsel und Styroporchips.
  • Eine Vielzahl feinmotorischer und künstlerischer Materialien wie Ton oder Teig in verschiedenen Texturen, Malen und Zeichnen (sowohl vertikal an einer Wand oder Staffelei als auch flach auf einem Tisch) und praktische Aktivitäten (Perlen auffädeln, Wasser zwischen zwei Behältern umgießen, Gegenstände mit einer Pinzette oder einem Löffel transportieren) sollten bereitgestellt und regelmäßig variiert werden.

Schaffen Sie Gelegenheiten sowohl für strukturierte Bewegung (wie Yoga, Tanzen, Sport oder einen Hindernisparcours) als auch für unstrukturiertes Bewegungsspiel, wo Kinder selbst ihr Spiel bestimmen können. Bewegungsphasen müssen nicht immer lang sein; kurze Bewegungspausen inmitten anderer Aktivitäten können Kindern (und Eltern) helfen, erneut Kraft für Aufmerksamkeit zu sammeln, damit sie bereit sind, sich wieder auf ihre vorherige Tätigkeit zu konzentrieren.

Wie sieht die räumliche Umgebung aus?

Wenn pädagogische Fachkräfte einen Gruppen- oder Funktionsraum gestalten, müssen sie ein breites Spektrum von Lernenden bedienen. Zu Hause hat man mehr Flexibilität, um auf die Bedürfnisse der eigenen Kinder einzugehen, aber man muss sie über mehrere Jahre ihrer Entwicklung hinweg unterstützen. Werfen Sie einen Blick auf Ihr eigenes Zuhause, während Sie einige der folgenden Umgebungsfaktoren bedenken, und überlegen Sie sich dann, ob sie kleine Anpassungen für Ihr(e) Kind(er) vornehmen könnten.

  • Raumgestaltung: Gibt es Orte, an denen die Kinder lauter oder ruhiger sein können, an denen sie einzeln oder mit anderen zusammen spielen und arbeiten können?
  • Vielfältige Aktivitäten: Haben Kinder die Wahl zwischen Aktivitäten, sei es in Bezug auf den Grad der Stimulation, den körperlichen Einsatz (z. B. grob- oder feinmotorisch, stehend oder sitzend) oder der Interaktion mit anderen?
  • Visuelle Gestaltung: Sind Spielzeuge und Materialien klar organisiert und für Kinder ohne die Hilfe Erwachsener zugänglich? Gibt es bei Wänden und anderen Oberflächen eine Balance aus gefüllten und leeren Flächen, so dass der Blick ruhen kann? Gibt es sowohl natürliche als auch künstliche Lichtquellen in verschiedenen Höhen und mit unterschiedlicher Intensität? Können Kinder dabei helfen, die Ordnung ihrer Umgebung aufrechtzuerhalten?
  • Überlegungen zu Sitzplätzen und Wahlmöglichkeiten bei strukturierten Aktivitäten: Stehen den Kindern Stühle, Hocker und/oder Sitzgelegenheiten auf dem Boden in einer Vielzahl von Texturen, Höhen und Härtegraden zur Verfügung, von denen einige speziell für ihre Größe entworfen wurden? Gibt es einen ruhigen Raum, an den sich das Kind zurückziehen kann, um alleine zu sein und auszuspannen, vielleicht mit einem Schaukelstuhl, Kopfhörern (mit oder ohne Musik), einem Fischbecken und handgroßen Gegenständen zum Herumspielen (z.B. Quetschbälle unterschiedlicher Beschaffenheit und Festigkeit)?

Mädchen an einer Kunststaffelei Kinder brauchen Zeiträume, in denen sie Aktivitäten ihrer eigenen Wahl ausprobieren können, ohne gestört zu werden

Ganz gleich, in welcher Umgebung Sie leben, wenn Sie Ihrem Kind eine tägliche Routine, klare Erwartungen mit altersgerechter Unterstützung und gut geplante Übergänge (mit vorheriger und wiederholter Ankündigung, insbesondere bei jüngeren Kindern) bieten, wird der Tag vorhersehbar strukturiert und Ihr Kind weiß, was es erwartet. Wir Erwachsene fühlen uns sicherer, wenn wir wissen, was auf uns zukommt, und genau so geht es auch unseren Kindern. Übergänge werden weniger konfliktreich, wenn Kinder früh und oft auf sie vorbereitet werden.

Unabhängigkeit und Verantwortung fördern

Eine Möglichkeit, die sich uns gerade in dieser ungewöhnlichen Zeit bietet, ist die Förderung der Unabhängigkeit unserer kleinen Kinder. Unsere westliche Kultur des 21. Jahrhunderts lässt uns in der Regel von Ort zu Ort und von Aktivität zu Aktivität hasten, und wir und unsere Kinder haben viel zu wenig unstrukturierte Zeit. Altersgerechte Unabhängigkeit, die mit Verantwortung einhergeht, ist ein unglaublich nützliches Instrument für Kinder, das eng mit der Selbstregulierung verknüpft ist, die erforderlich ist, damit sie in der Schule und letztendlich im Leben erfolgreich sein können. Unabhängigkeit und Verantwortung müssen Schritt für Schritt, konsistent und über einen längeren Zeitraum entwickelt werden, in dem das Kind seine eigenen Aktivitäten lenken und verwalten kann.

Wenn Sie überlegen, wie Sie die Unabhängigkeit eines Kindes zu Hause fördern können, bedenken Sie noch einmal alle Aspekte Ihrer räumlichen Umgebung und der Fähigkeit des Kindes, sich frei und seinen Absichten folgend zu bewegen. Hier sind einige Ausgangspunkte für diese Überlegungen. Sie müssen dem Alter und dem Entwicklungsstand des Kindes entsprechend Anpassungen vornehmen – aber vergessen Sie nicht, dass kleine Kinder im Allgemeinen wesentlich kompetenter sind, als wir denken!

  • Hat mein Kind ohne meine Hilfe Zugang zu Trinkwasser, gesunden Snacks und zu einer Toilette?
  • Hat mein Kind einen ruhigen Ort, an dem es alleine sein kann, sei es, um alleine zu spielen oder einfach nur um zu träumen oder auszuspannen? Ist dieser Ort immer erreichbar, wenn es sich dorthin zurückziehen will?
  • Wie oft hat mein Kind die Gelegenheit, alleine zu sein, um ungestört Aktivitäten auszuprobieren, die es selbst auswählt? Für wie lange am Stück?
  • Ist der Wohn- und Schlafraum meines Kindes so strukturiert, dass es ihn erreichen und dafür sorgen kann, von der Auswahl der Kleidung bis hin zum täglichen Bettenmachen?
  • Wenn mein Kind vor einem Problem steht, hat es dann die Möglichkeit, es selbst zu lösen?

Ein Mädchen schaut sich ein Buch an Auch Kinder brauchen Rückzugsorte und Ruhezeiten, um sich zu entspannen

Das bedeutet nicht, dass unsere Kinder unbegrenzte Freiheit und ein Leben ohne Beaufsichtigung und Kontrolle brauchen. Das Urteilsvermögen von Kindern ist begrenzt, und wir Erwachsene sind für ihre Sicherheit und ihr Wohlergehen verantwortlich. Aber wenn wir sorgfältig und bewusst vorausdenken, können wir eine vorbereitete Umgebung schaffen, die die Entwicklungsbedürfnisse der Kinder unterstützt. Letztendlich wird dies ihnen helfen, sich zu unabhängigen Erwachsenen zu entwickeln und sich auf zukünftige Herausforderungen vorzubereiten.

Mädchen an einem Brunnen Die Entwicklungsbedürfnisse kleiner Kinder zu fördern hilf ihnen letztendlich, sich auf zukünftige Herausforderungen vorzubereiten

Wollen Sie noch andere Möglichkeiten kennenlernen, wie Sie die sensorische Entwicklung Ihres Kindes, seine Unabhängigkeit, sein Verantwortungsbewusstsein, seine Fähigkeit zur Selbstregulierung und seine Resilienz fördern können? Sagen Sie es uns, und wir werden uns bemühen, diese Möglichkeiten in zukünftigen Beiträgen weiter zu untersuchen. In der Zwischenzeit hoffe ich, dass Sie in der Lage sind, diese höchst ungewöhnliche Zeit zu nutzen, um Ihren Kindern wieder die Freude an einfachen Dingen zu vermitteln – es wird sich in der Zukunft auszahlen.

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Sinne, Bewegung und Gesundheit
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