Alternative Lernpositionen

Schließen Sie die Augen und stellen Sie sich für einen Moment einen traditionellen Klassenraum vor. Wahrscheinlich gehören zu dem Raum, den Sie sich ausgedacht haben, auch Stühle und Tische. Vielleicht sogar eine Tafel an der Wand, und die Stühle in Reihen davor? Probieren Sie mal eine Google-Bildersuche und wahrscheinlich werden Sie ähnliche Ergebnisse erhalten.

Auf einem Stuhl zu sitzen ist bei traditionellen Lernaktivitäten wie Schreiben und Rechnen lernen, Aufsätze schreiben usw. tatsächlich leistungsfördernd, aber viele Pädagogen bezweifeln inzwischen, dass dies wirklich die optimale Position zum Lernen ist. In Bezug auf frühkindliche Umgebungen ist langes Sitzen auf einem Stuhl nicht nur ineffektiv was Lernen angeht, es ist auch nicht entwicklungsgerecht.

Obwohl es einfach scheint, auf einem Stuhl zu sitzen, ist es für kleine Kinder eine anspruchsvolle körperlich-motorische Fähigkeit. Und wie bei vielen Dingen in der kindlichen Entwicklung kann man einem Kind helfen, richtig auf einem Stuhl zu sitzen, indem man nicht von ihm verlangt, auf einem Stuhl zu sitzen! Kinder müssen zuerst die nötige Koordination entwickeln, sie müssen lernen, ihren Oberkörper zu beherrschen und das Gleichgewicht zu halten. Dies wird durch viel grobmotorische Bewegung und Spiel erreicht – Krabbeln, Laufen, Springen, Drehen und Klettern.

Für Tätigkeiten, auf die ein Kind sich konzentrieren muss, zum Beispiel wenn es einer Geschichte zuhört, beim Malen, Puzzeln oder beim manipulativen Spiel, gibt es eine Reihe von alternativen Lernpositionen, durch die Muskeln aufgebaut und vor allem die wichtige Rumpfmuskulatur gestärkt wird. Heben Sie die Stühle für Aktivitäten auf, die sicheres Sitzen erfordern, wie z. B. Mahlzeiten. Stellen Sie für diese Aktivitäten sicher, dass Sie einen Stuhl in der richtigen Größe haben, der eine stabile Körperhaltung des Kindes unterstützt.

Im Folgenden finden Sie einige Vorschläge für alternative Lernpositionen. Der Schlüssel ist Flexibilität und Kreativität! Denken Sie daran, dass dies alles natürliche – und sogar beliebte – Positionen für Kinder zum Arbeiten sind. Stellen Sie den Raum und die Materialien zur Verfügung und vertrauen Sie darauf, dass Kinder instinktiv das tun, was für ihre Entwicklung am besten ist.

Die senkrechte Fläche

Die senkrechte Fläche ist eine wichtige alternative Lernposition für kleine Kinder. Normalerweise denken wir, dass Kinder ihre feinmotorischen Aktivitäten an Tischen sitzend ausüben sollten. Eine senkrechte Fläche, die auf/ab-Bewegungen erfordert, ist allerdings eine natürliche und bevorzugte Ebene für kleine Kinder. Eine Tischplatte, also eine horizontale Ebene ist eher für ältere Kinder und Erwachsene geeignet.

Die Verwendung einer senkrechten Fläche hat für kleine Kinder viele Vorteile. Eine Aufgabe im Stehen oder aufrecht kniend auszuführen erfordert und stärkt die Rumpfmuskulatur. Die Größe einer Kreidetafel oder eines Whiteboards lädt auch zu größeren Armbewegungen ein, die die Muskeln und Gelenke des Oberkörpers und der Arme trainieren. In dieser Position zu spielen oder zu arbeiten bedeutet auch, Arm und Schulter hochhalten zu müssen, was den Trainingseffekt verstärkt. Eine stabile Schulterhaltung ist der Schlüssel zur Entwicklung der Feinmotorik. Das Arbeiten auf einer senkrechten Fläche fördert auf eine natürliche Weise auch die gestreckte Handgelenksposition, die später für effizientes Schreiben auf einer waagerechten Fläche erforderlich ist.

Schauen Sie sich in Ihrem Gruppenraum nach leicht zugänglichen senkrechten Oberflächen um, wie z. B. den folgenden:

• Wände
• Staffelei
• Tafel
• Whiteboard
• auf die Seite gekippter Gruppentisch
• Rückwände von großen Schränken
• großer Hängeregisterschrank (für magnetische Buchstaben!)
• Waschmaschine/Trockner
• Kühlschrank

Viele Aktivitäten, die normalerweise an Tischen stattfinden, lassen sich leicht in senkrechte Aktivitäten umwandeln. Stellen Sie die Materialien einfach in der Nähe der senkrechten Fläche bereit und beobachten Sie, wie die Kinder die neue Dimension entdecken. Eine Wand oder die Rückwand eines Schranks kann in eine nutzbare Fläche umgewandelt werden, wenn man große Papierbögen anheftet. Einige Materialien, die Sie in Betracht ziehen könnten, sind:

• Mal- und Schreibutensilien
• Farben
• Aufkleber
• Stempel
• Rasierschaum
• Spielknete
• Formen zum Ankletten
• Magnetische Buchstaben und Formen

Weitere unkonventionelle Verwendungsmöglichkeiten für senkrechte Flächen finden Sie in Sandra Duncans Artikel: „Vertical Learning with Classroom Walls“.

Die Unterseite des Tisches

Diese „Michelangelo“-Position arbeitet wirklich gegen die Schwerkraft, um eine maximale Wirkung zu erzielen! Anstelle die Decke der sixtinischen Kapelle zu verschönern, können Kinder jetzt auf ein Blatt Papier malen, das an der Tischunterseite befestigt ist. Legen Sie Decken und Kissen darunter, um einen gemütlichen und einladenden Platz zu schaffen, an dem die Kinder auf dem Rücken liegen und malen können. Kleine Kinder lieben diese alternative Lernposition!

Der Tisch mit verlängerten Beinen

Für Tätigkeiten, die eine waagerechte Oberfläche erfordern, wie z. B. Puzzles, bietet ein Tisch mit verstellbaren Beinen mehr Flexibilität in Bezug auf die Höhe der Oberfläche. Verlängern oder verkürzen Sie die Beine, sodass die Höhe zum Stehen, Knien oder sogar zur Arbeit auf dem Boden geeignet ist.

Optionen für das Sitzen auf dem Boden

Auf dem Boden zu sitzen bietet eine breite Palette von Alternativen zum Sitzen auf Stühlen an einem Tisch. Alle unten gezeigten Positionen sind entwicklungsgerecht, gesund für die Gelenke und fördern die Rumpfstabilität. Diese Positionen fördern die Entwicklung der Muskeln und des Gleichgewichts, die später zum Sitzen auf einem Stuhl erforderlich sind.

Wir sollten davon ausgehen, dass kleine Kinder oft ihre Position wechseln, wenn sie auf dem Boden sitzen – das ist natürlich und die Art und Weise, wie Kinder wach bleiben und lernen, die Position ihres Körpers im Raum zu kontrollieren. Kleine Kinder lernen am besten, wenn ihr Körper in einer bequemen und sicheren Lage ist.

Pommes frites

Die lange Sitzposition mit gestreckten Beinen fördert die Rumpfstabilität und schont Knie- und Hüftgelenke.

Meerjungfrau

Die seitliche Sitzposition mit angezogenen Beinen fördert die Einbeziehung des Rumpfes und die Entwicklung des Gleichgewichts beim Sitzen.

Bauchlage

Auf dem Bauch zu liegen und sich auf die Ellbogen zu stützen ist sehr empfehlenswert beim Lernen, Zuhören oder sogar wenn man anfängt, mit einer Schere zu arbeiten! Manchmal ist eine geneigte Oberfläche, wie z. B. ein 5-8 cm dicker Ordner, gut für feinmotorische Tätigkeiten. Die Bauchlage mit einer geneigten Oberfläche ermöglicht Kindern eine gute Positionierung von Arm, Hand und Handgelenk und fördert einen gestreckten Rücken beim Malen, bei Schwungübungen und beim Schreiben, entsprechend ihrer Entwicklung.

Zurückgelehntes Sitzen

Zurückgelehnt mit angewinkelten Knien und auf die Ellbogen gestützt zu sitzen ist eine sehr aktive Position, die den Rumpf einbezieht und die Kopf- und Nackenhaltung stärkt. Perfekt für die Vorlesezeit!

Sitzbälle

Kinder können auf einem kleinen oder mittelgroßen Gymnastikball sitzen, mit den Füße fest auf dem Boden. Gymnastikbälle sind hervorragend geeignet, um die Rumpfkontrolle bei Tischaktivitäten zu verbessern. Wenn die Kinder später, z. B. in der Schule, auf normalen Stühlen sitzen, werden sie diese Rumpfkontrolle brauchen.

Wie ist das mit dem Schneidersitz?

Die Sitzhaltung mit gekreuzten Beinen wird üblicherweise als Schneidersitz bezeichnet. Diese Sitzposition wird häufig gefordert und ist in vielen Kindergruppen sogar eine Art Pflicht … aber sollte das so sein? Die Antwort ist nein.

Der Schneidersitz ist sicherlich eine Möglichkeit, auf dem Boden zu sitzen, aber für viele kleine Kinder ist es schwierig, diese Position einzunehmen und zu halten. Er erfordert das Überkreuzen der Körpermitte, eine ausgeprägte Rumpfkontrolle, Koordination und Gleichgewicht, was viele kleine Kinder noch nicht beherrschen. Genau wie eine Schuhgröße nicht auf jeden Fuß passt, gibt es keine Sitzposition, die allen entwicklungsbedingten Bedürfnissen von Kindern genügt. Kleine Kinder müssen die Möglichkeit haben, sich zu bewegen und ihre Position zu wechseln, wenn sie auf dem Boden sitzen.

Wichtiger Hinweis zum „W-Sitzen“

Man spricht vom W-Sitz, wenn ein Kind auf dem Boden sitzt und seine Beine zu einer W-Form abgewinkelt sind. Kinder können sich angewöhnen, im W-Sitz zu sitzen, um ihren Körper zu stabilisieren, wenn sie nicht im Schneidersitz sitzen können. Leider führt das W-Sitzen zu einer ungesunden Positionierung der Knie- und Hüftgelenke, wirkt sich abträglich auf die Rumpfstabilität aus, die zum richtigen Sitzen benötigt wird, und kann die Entwicklung der Handmotorik beeinträchtigen. Deswegen sollten Erziehungskräfte und Eltern Kinder sanft, aber bestimmt vom W-Sitzen abbringen.

Ein Kind im W-Sitz

Kindern zum Erfolg verhelfen

Alternative Lernpositionen helfen kleinen Kindern, sich gesund zu entwickeln. Letzten Endes fördern sie auch die Fähigkeit, effektiv auf einem Stuhl am Schreibtisch zu sitzen und Schulaufgaben zu erledigen. Wir sollten uns bewusst sein, dass wir als Erwachsene eine wesentliche Rolle dabei spielen, ob Kinder später erfolgreich sitzen und lernen können. Bieten Sie kleinen Kindern alternative Lernpositionen an und beobachten Sie, wie ihre Aufmerksamkeit, ihr Engagement und ihre Lernfähigkeit zunehmen.

Unter www.writeoutofthebox.com finden Sie weitere Informationen, wie Sie die gesunde Entwicklung von Kleinkindern fördern können.